|
Die häufigsten Volkskrankheiten
Wie bereits erwähnt, unterscheiden sich die häufigsten Volkskrankheiten
von Land zu Land beträchtlich. In Ländern mit hohem Lebensstandard zählen andere Krankheiten zu den
Volkskrankheiten, als in ärmeren Ländern mit einem sehr niedrigen Lebensstandard. Global betrachtet
wäre es aus diesem Grund unkorrekt, von typischen Volkskrankheiten zu sprechen. Richtiger wäre es stattdessen
die Volkskrankheiten in Armutskrankheiten und Wohlstandskrankheiten zu unterteilen. Ein Mittelweg bestünde
sicherlich in einer Auswertung, welche die häufigsten Krankheiten in Deutschland, in Mitteleuropa und
der Welt allgemein berücksichtigt. Doch was sind nun typische Volkskrankheiten?
Bei oftmals tödlich verlaufenden Krankheiten, könnte eine statistische Auswertung von Sterbeursachen
hilfreich sein. Entsprechende Statistiken werden unter anderen durch die Weltgesundheitsorganisation
(Kürzel WHO für World Health Organization) veröffentlicht. Nachfolgendende Tabelle wurde jedoch aus
verschiedenen Berichten und unterschiedlichen Quellen zusammen gestottert, aus denen sich etwa folgendes
Bild ergab:
Die häufigsten Todesursachen zu Beginn des 21. Jahrhunderts |
Deutschland |
weltweit |
Afrika |
Herz-Kreislauf-
Erkrankungen
Krebsleiden
Erkrankungen der
Atmungsorgane |
Infektionskrankheiten
Die häufigste
Infektionskrankheit
weltweit ist die
Tuberkulose, es folgen
Durchfall und Malaria. |
Infektionskrankheiten
Die häufigste
Infektionskrankheit in
Afrika ist HIV / AIDS,
es folgen Tuberkulose
und Malaria. |
Leider haben Statistiken oftmals den einen oder anderen Makel. Dieser
Umstand kommt auch bei der Auswertung von Todesursachen zum Tragen, wenn aus deren Häufigkeit Rückschlüsse
auf die Verbreitung von Volkskrankheiten gezogen werden sollen. Die Gründe, die zu einem verfälschten
Ergebnis führen würden, liegen zum Teil in der unvollständigen Erfassung von Todesursachen. In vielen
Ländern der Dritten Welt werden Todesfälle und Todesursachen nicht oder nur unvollständig registriert.
Um dennoch Rückschlüsse auf die Häufigkeit von Todesursachen ziehen zu können, werden lediglich Hochrechnungen
durchgeführt.
Gänzlich anders sieht es hingegen in Deutschland und in vielen anderen hochentwickelten Industrieländern
der Welt aus. Um in Deutschland zu bleiben, hier gibt es keinen Todesfall, ohne Registrierung der Todesursachen.
Allerdings verfälscht auch diese Vorgehensweise die Ergebnisse erheblich, da der Alterstod als Begründung
für die Todesursache praktisch abgeschafft wurde. Bei einer Person, die ein stattliches Alter von 88,
94 oder gar 102 Jahren erreichte, reicht es nicht bei der Registrierung zu vermerken, dass der Betroffene
auf Grund eines natürlichen Alterstodes verschied. Der Arzt, welcher den Tod des Verschiedenen feststellt,
muss einen Grund für das Ableben des Betroffenen angeben. Als häufige Begründung wird dann vermutlich
Herz-Kreislauf-Versagen gewählt, insofern keine anderen Todesursachen ersichtlich sind.
Für statistische Erhebungen würde dies jedoch bedeuten, je gesünder die Bevölkerung einer Zivilgesellschaft
lebt, je weniger tatsächliche Volkskrankheiten verbreitet sind, um so älter würden die Menschen durchschnittlich
werden und um so öfter würden sie im hohen Alter durch Organversagen oder Versagen des Herz-Kreislauf-Systems
dahinscheiden, um einen natürlichen Tod zu sterben. Einen natürlichen Alterstod, welcher jedoch als
Herz-Kreislauf-Versagen vermerkt und als Herz-Kreislauf-Erkrankung die Statistiken mit den häufigsten
Todesursachen verwässern würde.
Noch ein wesentlicher Punkt trägt dazu bei, dass Statistiken über Todesursachen nur bedingt geeignet
sind, um Rückschlüsse auf die Häufigkeit und Verbreitung von Krankheiten zu ziehen, da nicht jede Volkskrankheit
unweigerlich tödlich verläuft. Als ein Beispiel hierfür soll der Karies erwähnt werden. Der Zahnkaries
gehört vermutlich unter allen Bevölkerungskreisen weltweit zu den verbreitetesten Volkskrankheiten,
beziehungsweise müsste eigentlich die Liste anführen. Allein in Deutschland dürften nach Schätzungen
weit über 90 Prozent aller Menschen mehr oder minder an Zahnkaries erkrankt sein, zum Teil ohne sich
dessen bewusst zu sein. Einige Hochrechnungen gehen sogar davon aus, dass rund 99 Prozent der Deutschen
mit zunehmendem Alter von der Zahnfäule betroffen sind. Nur handelt es sich bei der Zahnkaries um eine
Erkrankung, die unbehandelt zwar durch weitergehende Entzündungen zum Tode führen kann, welche jedoch
als Todesursache praktisch in keiner Statistik eine Rolle spielt, doch dazu später.
Auch Rückenschmerzen sind ein häufig vorkommendes Volksleiden, wobei es sich bei schmerzhaften Problemen
mit dem Rücken jedoch nicht um eine einzelne Krankheit, sondern mehr um ein sich ähnelndes Symptom für
unterschiedliche Krankheiten handelt. So können Rückenschmerzen durch organische Ursachen, zum Beispiel
Abnutzungserscheinungen, als auch durch psychische Ursachen ausgelöst werden. Richtiger wäre es in
diesem Zusammenhang deshalb bei Rückenschmerzen von einem typischen Volksleiden, statt von einer typischen
Volkskrankheit zu sprechen.
Das es sich bei Rückenschmerzen um ein Volksleiden handelt, wird unter anderem aus einer Unfrage ersichtlich,
welche der BKK Bundesverband im Jahre 2005 durchführen ließ und veröffentlichte. Nach dieser repräsentativen
Umfrage, zu der rund 4.000 Personen der verschiedensten Altersgruppen befragt wurden, leiden rund 61
Prozent der Befragten unter gelegentlichen oder häufigen Rückenschmerzen. Erwähnenswert ist in diesem
Zusammenhang, dass bereits rund 40 Prozent der befragten Jugendlichen unter mehr oder minder regelmäßigen
Rückenschmerzen leiden. In der Altersgruppe der 20 bis 29 Jährigen klagte bereits jeder zweite der Befragten
über Probleme mit dem Rücken. Mit zunehmenden Alter erhöhte sich erwartungsgemäß der Anteil bei den
befragten Personen, die unter Rückenbeschwerden leiden. Allerdings erhöhte sich von Altersgruppe zu
Altersgruppe nicht nur der prozentuale Anteil von Personen, die unter Rückenbeschwerden leiden, sondern
auch der Anteil von übergewichtigen Personen. Übergewicht und Bewegungsarmut erhöhen beträchtlich das
Risiko des Menschen, früher oder später unter unangenehmen Problemen mit dem Rücken zu leiden.
Da Übergewicht sowohl direkt als auch indirekt das Risiko für viele weitere Erkrankungen erhöht, kann
und sollte Übergewicht als eines der am weitesten verbreitetesten Volksleiden betrachtet und angesehen
werden. Doch Übergewicht ist nur ein Volksleiden und keine Volkskrankheit, da auch übergewichtige Personen
kerngesund sein können. Übergewicht trägt nur zur Auslösung von typischen Volkskrankheiten bei.
Einen relativ guten Überblick, zumindest über die häufigsten Volkskrankheiten in Deutschland, vermitteln
statistische Auswertungen von Krankenhausbehandlungen. Anders als bei den Statistiken über Sterbeursachen,
in denen sich nur Erkrankungen mit tödlichem Verlauf widerspiegeln, werden hier alle Krankheitsfälle
erfasst, die einen stationären Krankenhausaufenthalt von betroffenen Menschen erforderten. Diesbezügliche
Statistiken werden vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden erfasst und veröffentlicht.
Aus den Statistiken des Statistischen Bundesamtes ergibt sich ein Bild, dass viele Leser vermutlich
in dieser Form so nicht erwartet hätten. Bei einer allgemeinen Auswertung der Statistiken des Jahres
2005, kommen Durchblutungsstörungen des Herzens bzw. der Herzkranzgefäße auf den ersten Platz. Werden
die Statistiken jedoch getrennt nach Geschlechtern ausgewertet, ergibt sich das folgende Bild.
Die häufigsten Diagnosen bei stationären Krankenhausaufenthalten
des Jahres 2005 |
Frauen |
Männer |
Gesamt m/w |
Herzinsuffizienz
(Herzschwäche)
Cholelithiasis
(Gallensteine bzw.
Gallenkolik)
Angina pectoris
(Herzenge bzw.
Herzschmerz) |
Psychische Störungen
bzw. Verhaltensstörungen
durch Alkohol
Angina pectoris
(Herzenge bzw.
Herzschmerz)
Herzinsuffizienz
(Herzschwäche) |
Angina pectoris
(Herzenge bzw.
Herzschmerz)
Herzinsuffizienz
(Herzschwäche)
Psychische Störungen
bzw. Verhaltensstörungen
durch Alkohol |
Quelle:
Statistischen Bundesamt - www.destatis.de
Einige Leser dürfte es verwundern und schockieren, dass durch Alkoholmissbrauch
verursachte Verhaltensstörungen ganz weit oben in der Liste bei den typischsten Volkskrankheiten stehen
und somit Freund Alkohol ein noch größerer Übeltäter zu sein scheint, als das Rauchen und der Nikotinmissbrauch.
Und dennoch, zumindest in der männlichen Welt verhält es sich so. Bei den Frauen hingegen belegen Folgeerkrankungen
durch Alkoholmissbrauch den 8. Platz der häufigsten Diagnosen, insofern diese Erkrankungen einen stationären
Krankenhausaufenthalt erfordern. Auch wenn ein generelles Alkoholverbot kaum realisierbar sein dürfte
(die frühere Alkoholprohibition in den USA scheiterte kläglich, ebenso wie einstige Alkoholverbote
in Russland, Finnland, Island und Norwegen), Alkoholmissbrauch bleibt weiterhin ein nicht nur auf
die Gesundheit bezogenes Problem vieler Völker. So forderte die EU-Kommission in den letzten Jahren
nicht ganz zu unrecht ein Alkoholverbot, zumindest für Jugendliche unter 18 Jahren. Doch wo es Verbote
gibt, dort gibt es auch Überschreitungen, eine generelle Lösung wird durch Verbote nur selten erreicht.
Auf der nächsten Seite: Weitere typische Volkskrankheiten mit Übersichten - Teil II
Einführung
« - / - »
Weitere V...
Sinn von ...
Die Einheit
In Stichpunkten: Über das Wesen typische Volkskrankheiten
und über die Verbreitung der häufigsten Armuts- und Wohlstandskrankheiten in Deutschland, Afrika und weltweit.
|
|
|
|