|
Die Novemberrevolution - Seite 3
Diese betrafen vor allem: Uneingeschränktes Bekenntnis zur Friedensresolution
vom 19. Juli 1917, Erklärung der Bereitschaft zum Eintritt in einen Völkerbund, der für alle Streitigkeiten
zuständig sein und auf der allgemeinen Abrüstung beruhen sollte, vollkommen einwandfreie Erklärung über
die Wiederherstellung Belgiens und Verständigung über dessen Entschädigung, das gleiche für Serbien
und Montenegro, Erklärung, dass die Friedensschlüsse von Brest-Litowsk und Bukarest kein Friedenshindernis
für den allgemeinen Friedensschluss sein dürften, sofortige Einführung der Zivilverwaltung in allen
besetzten Gebieten, Freigabe der besetzten Länder bei Friedenschluss, Autonomie für Elsass-Lothringen,
allgemeines, gleiches, geheimes und direktes Wahlrecht für alle deutschen Bundesstaaten, Auflösung des
Preußischen Landtags, wenn das Herrenhaus der Wahlrechtsänderung nicht unverzüglich zustimmen sollte,
Einheitlichkeit der Reichsleitung, Ausschaltung unverantwortlicher Nebenregierungen, Einführung der
parlamentarischen Regierung im Reiche, Wiederherstellung der bürgerlichen Freiheiten (Aufhebung der
Zensur, der Versammlungsbeschränkungen usw.)
Dem Beschlusse war eine Debatte vorausgegangen, in der das Misstrauen gegen die Durchsetzung dieser
Forderungen stark zum Ausdruck kam, denn Michaelis und Graf Hertling, die beiden Vorgänger des Prinzen
Max, hatten ein hinterhältiges Spiel getrieben. Ein von Beims, Löbe und Landsberg gestellter Antrag: "Die
vom Vorstand in Aussicht genommenen Bedingungen genügen der Fraktion nicht für eine Beteiligung der
Sozialdemokratie an der Regierung" war durch die Beschlussfassung gegenstandslos geworden. Wenn
schließlich trotz schärfster kritischer Einstellung die grundsätzliche Bereitwilligung zum Eintritt
in die Regierung mit solcher Mehrheit beschlossen wurde, so war dafür weniger die Notwendigkeit der
Mitwirkung der Partei bei der Demokratisierung des Reichs und der Bundesstaaten maßgebend, als die Meinung,
dass ohne Eintritt der Partei in die Regierung nicht die notwendige Vorbereitungsarbeit zur Herbeiführung
eines baldigen Friedens gesichert wäre.
Vor der Abstimmung hatte Ebert in der ihm eigenen klaren Weise nochmals das ganze Problem aufgerollt
und auf die große Verantwortung aller Beteiligten hingewiesen.
Er sagte, dass es keine Genossen gäbe, die den Eintritt in die Regierung nicht erwarten könnten:
"Sie dürfen niemanden von uns für einen solchen Esel halten, dass er nicht sagt: Ich danke meinem Schöpfer,
wenn dieser Kelch an mir vorübergeht. Aber das sind persönliche Auffassungen, die nicht in Betracht
kommen, wenn das Interesse der Partei, der Arbeiterklasse und des Landes auf dem Spiel steht."
Auch ich gehörte zu den Anhängern des Vorschlags des Vorstandes. Ich war, von Ebert zurückgerufen, erst
am Abend des 23. September aus Bayern nach Berlin zurückgekehrt und hatte an den Vorbereitungen nicht
teilgenommen. Was ich aber gerade in Bayern über die Kriegsmüdigkeit aller Kreise der Bevölkerung erfahren
hatte, zeigte mir, dass Deutschland schleunigst Frieden brauchte.
Vom 23. September bis Anfang Oktober hatte sich die Lage Deutschlands weiter so verschlechtert, dass
Scheidemann, der in der Sitzung vom 23. September als Referent unter der Voraussetzung der Bewilligung
unserer Bedingungen für den Eintritt in die Regierung gesprochen hatte, nun die schwersten Bedenken
hatte und deshalb zunächst persönlich den Eintritt in die Regierung ablehnte. Ebert vertrat die Notwendigkeit
des Eintritts Scheidemanns aber so überzeugend, dass dieser schließlich zustimmte. Die Regierung wurde
sodann aus den drei Parteien gebildet, die später die Koalition von Weimar eingingen. An die Spitze
des vom Reichsamt des Innern abgezweigten Reichsarbeitsamtes trat Gustav Bauer, der bis dahin neben
Karl Legien Vorsitzender der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands war. Das Reichsamt des
Innern übernahm der Kölner Zentrumsführer Karl Trimborn, der als echter Rheinländer die Gabe hatte,
auch in der schlimmsten Zeit den Humor nicht ganz zu verlieren. Neben Scheidemann wurden Erzberger und
Gröber vom Zentrum Staatssekretäre ohne Portefeuille. Am 14. Oktober wurde noch Conrad Haußmann als
solcher bestellt. Die Freisinnigen waren bis dahin nur durch Herrn von Payer in der Regierung vertreten.
So war denn der Eintritt der Sozialdemokratie in die Reichsregierung Tatsache geworden. Mir erschien
er unerlässlich, weil auf Wilsons Erklärungen die Probe gemacht werden musste. Wie sollte denn ohne
Beteiligung der Sozialdemokratie in Deutschland überhaupt eine parlamentarische Regierung gebildet werden?
Gewiss fiel uns diese Entscheidung schwer. Es war ein gewagtes Spiel. Manch einer fürchtete, wie Otto
Wels damals sagte, dass die Sozialdemokratie vielleicht mit in die Konkursmasse des Kaiserreichs gezogen
werden könnte.
Immerhin ist es fraglich, ob die Mehrheit des sozialdemokratischen Parteivorstandes, des Parteiausschusses
und der Reichtagsfraktion ihre Zustimmung zum Eintritt in das Kabinett des Prinzen Max gegeben hätten,
wenn sie gewusst hätten, wie hoffungslos die militärische Lage Deutschlands Ende September 1918 bereits
war.
Seite 3 - Die Novemberrevolution * Kapitel I - Die Ursachen der Revolution
Seite 1
Seite 2
« zurück / weiter »
Seite 4
Seite 5
|
|
|
|