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Die Novemberrevolution und Nürnberg

* Von Hermann Müller-Franken * 18.05.1876 - † 20.04.1931

 

Die Novemberrevolution - Seite 5

Ich übernahm diesen Auftrag um so lieber, als ich bereits im September Gelegenheit hatte, in einem abgelegenen oberbayrischen Dorfe die Stimmung einer reinen Bauernbevölkerung kennen zulernen. In dieses Dorf war während des ganzen Krieges kein Spartakusflugblatt gekommen. Dort, an der bayrischen Königstraße, wird heute noch das Andenken Ludwigs II. fast heilig gehalten. Und doch sagten im fünften Kriegsjahr dort die Bauern, dass sie den Krieg "gar" hätten. Der bayrische Parteitag bewies, dass nicht nur die Arbeiter den Tag der Abrechnung mit dem herrschenden System herbeisehnten, sondern dass auch das bayrische Bürgertum, vom Geist der Zeit erfasst, ganz revolutionär redete.
Der Nürnberger Delegierte Ernst Schneppenhorst sagte damals öffentlich u.a.: "Ich habe kürzlich erst eine Rede eines Bürgerlichen gehört, der meinte, der Haushaltungsvorstand der Familie Lehman muss verschwinden. Wen er darunter gemeint hat, darüber war sich keiner der Hörer im Unklaren. Wir sind ja grundsätzlich für die Beseitigung der Monarchie, und dieser alte Programmpunkt muss jetzt in den Vordergrund treten. Nicht nur Tirpitz, sondern in der Hauptsache die Hohenzollern, die Wittelsbacher waren mit die Kriegsverlängerer, waren die Verbrecher, die Millionen von Toten auf dem Gewissen haben."

An demselben 13. Oktober sagte Dr. Max Süßheim - Nürnberg auf dem bayrischen Parteitag: "Die Forderung des Rücktritts des deutschen Kaisers und des deutschen Kronprinzen ist eine volkstümliche Forderung der weitesten Kreise der Bürgerschaft."

Genosse Dr. Heimrich - Nürnberg sagte in der gleichen Debatte: "Ich bin dieser Tage in einem Zuge gefahren, da war ich Zeuge, wie ein Militär, ein Divisionskommandeur, glatt die Abdankung der Hohenzollern gefordert hat, und er hat sich mit den Worten über die Leute ausgelassen, dass man stauen musste. Und diese Stimmung geht heute durch die weitesten bürgerlichen Kreise."

Der Parteitag der bayrischen Sozialdemokratie nahm eine Entschließung an, in der es u.a. hieß:  "Unter Betonung unserer sozialdemokratischen Grundsätze fordert der Parteitag die Überführung Deutschlands in einen Volksstaat mit vollkommener Selbstbestimmung und -verwaltung des Volkes in Reich, Staat und Gemeine."

Das seit der Gründung der Sozialdemokratischen Partei volkstümliche Wort "Volksstaat" - so hieß in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts das Leipziger Blatt Wilhelm Liebknechts und August Bebels - war absichtlich als deutsches Wort für das Wort Republik gewählt worden. Wie geredet wurde, so schrieb die Presse.

Die Militärdiktatur der Generalkommandos bestand zwar in der zweiten Oktoberhälfte noch. Aber die Presse setzte sich immer mehr über die Zensurverbote hinweg, und die Herren mit dem breiten roten Generalstreifen nahmen das einfach hin, weil sie von einem Einschreiten nur eine Verschlimmerung befürchteten. Besonders deutlich wurde das zuerst in Nürnberg. Hier führte Dr. Adolf Braun, der Chefredakteur der "Fränkischen Tagespost", im Einverständnis mit den Nürnberger Parteiinstanzen bereits vom 10. Oktober ab einen schneidigen Kampf für die schleunige Herbeiführung des Friedens, und weil das dazu gehörte, für die Abdankung des Kaisers. In einem Leitartikel über Wilson und Kaiser Wilhelm erinnerte er daran, wie Wilhelm II. schon am 16. August 1888 erklärt hätte:  "Dass darüber nur eine Stimme sein kann, dass wir lieber unsere gesamten 18 Armeekorps und 42 Millionen Einwohner auf der Wahlstatt liegen lassen, als dass wir einen einzigen Stein von dem, was mein Vater und Prinz Friedrich Karl errungen haben, abtreten."

Das schlug ein. 1 ¾ Millionen Tote lagen schon auf der Wahlstatt. Das Volk wollte nicht warten, bis nach Wilhelms II. Wunsch 42 Millionen Deutsche hingeschlachtet waren. Der bayrische "Volksfreund" denunzierte die "Fränkische Tagespost" beim Generalkommando wegen der "Schand- und Brandartikel" "gegen unseren Kaiser". Aber von Könitz, der stellvertretende kommandierende General des 3. bayrischen Armeekorps lehnte die Verhaftung der Redakteure Adolf Braun und Schneppenhorst wegen Hochverrats und Majestätsbeleidigung mit der Begründung ab, dass er wisse, dass die Revolution kommen würde, aber nicht wolle, dass sie zuerst in Nürnberg ausbreche. Er beschränkte sich auf das Verbot des Nachdrucks der Leitartikel der "Fränkischen Tagespost in seinem Befehlsbereich.

Unser Nürnberger Parteiblatt stand mit solcher klaren zeitgemäßen Sprache durchaus nicht allein da. Unser Breslauer Parteiorgan, dessen Chefredakteur damals Paul Löbe war, wurde am 16. Oktober 1918 auf drei Tage verboten, weil es nach der Feststellung des Dahinsinkens der Kaiserpracht und -macht den Satz enthielt, dass es nicht schwer fallen müsse, von dem kleinen Rest Abschied zu nehmen. Das Verbot wurde aufgehoben, weil die Breslauer Arbeiter der Großbetriebe mit der Parole: "Freigabe des Arbeiterblattes" in den Ausstand getreten waren.

Am 17. Oktober forderte die Magdeburger "Volksstimme" die Abdankung der Hohenzollern. Über ganz Deutschland fluteten revolutionäre Wellen.

 


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