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Die Novemberrevolution - Seite 5
Ich übernahm diesen Auftrag um so lieber, als ich bereits im September
Gelegenheit hatte, in einem abgelegenen oberbayrischen Dorfe die Stimmung einer reinen Bauernbevölkerung
kennen zulernen. In dieses Dorf war während des ganzen Krieges kein Spartakusflugblatt gekommen. Dort,
an der bayrischen Königstraße, wird heute noch das Andenken Ludwigs II. fast heilig gehalten. Und doch
sagten im fünften Kriegsjahr dort die Bauern, dass sie den Krieg "gar" hätten. Der bayrische
Parteitag bewies, dass nicht nur die Arbeiter den Tag der Abrechnung mit dem herrschenden System herbeisehnten,
sondern dass auch das bayrische Bürgertum, vom Geist der Zeit erfasst, ganz revolutionär redete.
Der Nürnberger Delegierte Ernst Schneppenhorst sagte damals öffentlich u.a.: "Ich habe kürzlich
erst eine Rede eines Bürgerlichen gehört, der meinte, der Haushaltungsvorstand der Familie Lehman muss
verschwinden. Wen er darunter gemeint hat, darüber war sich keiner der Hörer im Unklaren. Wir sind ja
grundsätzlich für die Beseitigung der Monarchie, und dieser alte Programmpunkt muss jetzt in den Vordergrund
treten. Nicht nur Tirpitz, sondern in der Hauptsache die Hohenzollern, die Wittelsbacher waren mit die
Kriegsverlängerer, waren die Verbrecher, die Millionen von Toten auf dem Gewissen haben."
An demselben 13. Oktober sagte Dr. Max Süßheim - Nürnberg auf dem bayrischen Parteitag: "Die Forderung
des Rücktritts des deutschen Kaisers und des deutschen Kronprinzen ist eine volkstümliche Forderung
der weitesten Kreise der Bürgerschaft."
Genosse Dr. Heimrich - Nürnberg sagte in der gleichen Debatte: "Ich bin dieser Tage in einem Zuge
gefahren, da war ich Zeuge, wie ein Militär, ein Divisionskommandeur, glatt die Abdankung der Hohenzollern
gefordert hat, und er hat sich mit den Worten über die Leute ausgelassen, dass man stauen musste. Und
diese Stimmung geht heute durch die weitesten bürgerlichen Kreise."
Der Parteitag der bayrischen Sozialdemokratie nahm eine Entschließung an, in der es u.a. hieß: "Unter
Betonung unserer sozialdemokratischen Grundsätze fordert der Parteitag die Überführung Deutschlands
in einen Volksstaat mit vollkommener Selbstbestimmung und -verwaltung des Volkes in Reich, Staat und
Gemeine."
Das seit der Gründung der Sozialdemokratischen Partei volkstümliche Wort "Volksstaat" - so
hieß in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts das Leipziger Blatt Wilhelm Liebknechts und August
Bebels - war absichtlich als deutsches Wort für das Wort Republik gewählt worden. Wie geredet wurde,
so schrieb die Presse.
Die Militärdiktatur der Generalkommandos bestand zwar in der zweiten Oktoberhälfte noch. Aber die Presse
setzte sich immer mehr über die Zensurverbote hinweg, und die Herren mit dem breiten roten Generalstreifen
nahmen das einfach hin, weil sie von einem Einschreiten nur eine Verschlimmerung befürchteten. Besonders
deutlich wurde das zuerst in Nürnberg. Hier führte Dr. Adolf Braun, der Chefredakteur der "Fränkischen
Tagespost", im Einverständnis mit den Nürnberger Parteiinstanzen bereits vom 10. Oktober ab einen
schneidigen Kampf für die schleunige Herbeiführung des Friedens, und weil das dazu gehörte, für die
Abdankung des Kaisers. In einem Leitartikel über Wilson und Kaiser Wilhelm erinnerte er daran, wie Wilhelm
II. schon am 16. August 1888 erklärt hätte: "Dass darüber nur eine Stimme sein kann, dass
wir lieber unsere gesamten 18 Armeekorps und 42 Millionen Einwohner auf der Wahlstatt liegen lassen,
als dass wir einen einzigen Stein von dem, was mein Vater und Prinz Friedrich Karl errungen haben, abtreten."
Das schlug ein. 1 ¾ Millionen Tote lagen schon auf der Wahlstatt. Das Volk wollte nicht warten, bis
nach Wilhelms II. Wunsch 42 Millionen Deutsche hingeschlachtet waren. Der bayrische "Volksfreund"
denunzierte die "Fränkische Tagespost" beim Generalkommando wegen der "Schand- und Brandartikel" "gegen
unseren Kaiser". Aber von Könitz, der stellvertretende kommandierende General des 3. bayrischen
Armeekorps lehnte die Verhaftung der Redakteure Adolf Braun und Schneppenhorst wegen Hochverrats und
Majestätsbeleidigung mit der Begründung ab, dass er wisse, dass die Revolution kommen würde, aber nicht
wolle, dass sie zuerst in Nürnberg ausbreche. Er beschränkte sich auf das Verbot des Nachdrucks der
Leitartikel der "Fränkischen Tagespost in seinem Befehlsbereich.
Unser Nürnberger Parteiblatt stand mit solcher klaren zeitgemäßen Sprache durchaus nicht allein da.
Unser Breslauer Parteiorgan, dessen Chefredakteur damals Paul Löbe war, wurde am 16. Oktober 1918 auf
drei Tage verboten, weil es nach der Feststellung des Dahinsinkens der Kaiserpracht und -macht den Satz
enthielt, dass es nicht schwer fallen müsse, von dem kleinen Rest Abschied zu nehmen. Das Verbot wurde
aufgehoben, weil die Breslauer Arbeiter der Großbetriebe mit der Parole: "Freigabe des Arbeiterblattes"
in den Ausstand getreten waren.
Am 17. Oktober forderte die Magdeburger "Volksstimme" die Abdankung der Hohenzollern. Über
ganz Deutschland fluteten revolutionäre Wellen.
Seite 5 - Die Novemberrevolution * Kapitel I - Die Ursachen der Revolution
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