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Die Novemberrevolution - Seite 6
Die Forderungen zur Erlangung eines Verständigungsfriedens verhallten
zunächst ungehört. Die bayrische Regierung hatte nach der Bismarckschen Verfassung den Vorsitz im Auswärtigen
Ausschuss des Bundesrates. Sie war also verpflichtet, solche Anregungen zu geben. Über die wahre Lage
Deutschlands war die bayrische Regierung unterrichtet, denn der bayrische Kronprinz Rupprecht hatte
aus dem Felde schon am 15. August 1918 an den Prinzen Max von Baden geschrieben, es "hat sich unsere
militärische Lage so rapid verschlechtert, dass ich nicht mehr glaube, dass wir über den Winter werden
aushalten können, ja es kann sein, dass bereits früher eine Katastrophe eintritt".
Der dem Kaiser treu ergebene Gesandte Treutler telegraphierte am 20. Oktober 1918 aus München über die
Stimmung dort: "Tatsächlich wünscht überwiegende Mehrheit nur Frieden."
In Hessen sah es ebenso aus. Am 17. Oktober 1918 erhielt der sozialdemokratische Parteivorstand folgenden,
von unserem Parteisekretär Hermann Neumann in Offenbach am Main verfassten, für die Stimmung in allen
hessischen Kreisen bezeichnenden Bericht:
"Durch Herrn Kappus, Offenbach a. M., wurde ich zu einer Unterredung mit dem Prinzen Leopold zu
Isenburg gebeten. Die Unterredung fand am Mittwoch, dem 16. Oktober 1918, in der Privatwohnung des Prinzen
in Darmstadt, Goethestr. 44, statt und dauerte von 6.15 Uhr bis 7.30 Uhr abends.
Der Prinz bemerkte einleitend, er wünsche mit mir über zwei Punkte, über die speziell hessischen Fragen
und über die das Reich betreffenden Fragen zu verhandeln. Er erklärte dann, er sei kein Sozialdemokrat,
aber durchaus demokratisch gesinnt. Diese demokratische Gesinnung habe er schon immer gehabt und gehöre
deshalb nicht zu den Umlernern. Was die hessischen Verhältnisse angehe, so sei eine Reform der Verfassung
nicht mehr aufzuhalten. Das von der Sozialdemokratie geforderte Wahlrecht werde und müsse kommen. Bei
dieser Gelegenheit müsse auch eine Reform der Ersten Kammer vorgenommen werden. Die Erste Kammer sei
in ihrer jetzigen Zusammensetzung durchaus senil. Ich erklärte, nicht eine Reform, sondern Beseitigung
der Ersten Kammer streben wir an. Der Prinz erwiderte, das sei ihm bekannt, aber die Beseitigung würden
wir jetzt nicht erreichen. Er machte deshalb den Vorschlag, von den 16 Standesherren sechs zu beseitigen
und die verbleibenden zehn durch die Standesherren wählen zu lassen; dadurch würde Gewähr geboten, dass
nur die gewählt würden, die wirklich Interesse hätten, und damit käme auch mehr Geist in die Erste Kammer.
Für die sechs ausgefallenen Standesherren müssten Vertreter der Berufsstände (Handel, Gewerbe, Landwirtschaft
und Arbeiterschaft) gewählt werden. Das Recht des Großherzogs, Mitglieder der Ersten Kammer auf Lebenszeit
zu bestimmen, zu beseitigen, würde jedenfalls nicht schwer fallen. Auf die direkte Frage, ob uns eine
derartige Reform genügen würde, erklärte ich, mich dahingehend nicht binden zu können. Zur zweiten Kammer
übergehend, bemerkte der Prinz, dass über die Einführung des allgemeinen Wahlrechts nicht mehr zu reden
sei, darüber gäbe es keine Diskussion mehr."
Nach weiteren Mitteilungen über hessische Fragen fährt der Bericht fort:
"Zu den Verhältnissen im Reich übergehend, erklärte der Prinz, er habe Fühlung mit fasst sämtlichen
regierenden Häusern Deutschlands und stehe mit diesen in dauernder Verbindung.
Mit der Beseitigung der Hohenzollern müssen wir rechnen. Er hält es für ausgeschlossen, dass Frieden
kommt ohne diese Beseitigung. Er äußerte sich dann ausführlich über die Kriegslage und die Friedensaussichten.
Dann kam er zu der Frage, wie das neue Deutschland auszusehen habe. Er bitte, folgenden Vorschlag in
Erwägung zu ziehen: Errichtung eines Staatenbundes, mit dem Reichstag an der Spitze. Die Leitung des
Staatenbundes müsste einem Bundeskanzler übertragen werden. Auf meine Zwischenfrage, dass dann die Macht
aller regierenden Häuser beseitigt sei, erklärte er: "Ja, das wäre auch nicht schlimm", die Mehrzahl
der Herren würden freiwillig zurücktreten. Wir würden bei einem derartigen Staatenbund aber die Deutsch-Österreicher
gewinnen. Ein Gewinn, der nicht zu unterschätzen sei. Als Bundeshauptstadt könnte vielleicht Frankfurt
a. M. in Frage kommen. Nicht nur wegen der zentralen Lage, sondern auch wegen der dort wohnenden Juden,
die man unbedingt gewinnen müsse. (!) Auf keinen Fall aber sollte man sich damit einverstanden erklären,
dass vielleicht mit Rücksicht auf den Anschluss Deutsch-Österreichs Bayern als Mittelpunkt bestimmt
würde; das wäre nichts anderes, als eine katholische Herrschaft errichten, wovor wir uns hüten müssten.
Er forderte meine Ansicht über diesen Plan, ausdrücklich bemerkend, dass, wenn wir diesem zustimmen
würden, er dann im Sinne dieses Planes weiter bei den maßgebenden deutschen Regierenden tätig sein würde.
Es sei keine Idee von ihm, sondern sei bereits Gegenstand der Verhandlungen gewesen. Ich lehnte auf
das Bestimmteste ab, darüber irgendwelche Erklärungen abzugeben, erklärte mich aber bereit, mit meinen
Parteifreunden im Reich und in Hessen darüber zu konferieren und ihm dann in einer neuen Unterredung
unsere Ansicht mitzuteilen. Dem stimmte der Prinz zu und bat mich, die Sache in den nächsten Tagen zu
erledigen; er würde dann zu einer neuen Besprechung gerne zur Verfügung stehen."
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